Berlin-Thema-Turnier 1976
Bericht und Urteil des Preisrichters Klaus Wenda, Wien
32 Aufgaben wurden mir auf neutralen Diagrammen vorgelegt. Um ein möglichst genaues
Bild zu bekommen, habe ich jede Aufgabe geprüft und gelöst. Hierbei blieben 10 Stücke (
wegen Nebenlösung, Unlösbarkeit oder Themaverfehlung ) auf der Strecke. Von den
verbleibenden habe ich zwölf Bewerbungen für eine Auszeichnung ausersehen. Neben der
Originalität und Klarheit in der Darstellung des vorgesehenen Themas habe ich saubere,
ökonomische Konstruktion und künstlerischen Gesamteindruck des Problems als wertbildende
Faktoren angenommen. So kamen Probleme mit ungedeckten Satzmatts, mit nachtwächternden
Offizieren und überladenen Positionen, sofern diese Umstände nicht durch thematische
Reichhaltigkeit gerechtfertigt erschienen, für eine Auszeichnung nicht in Betracht.
Im Gesamten ist zu sagen, dass meines Erachtens im Rahmen dieses Turniers noch nicht an
die inhaltlichen und konstruktiven Grenzen des Themas vorgestoßen wurde, es zeigten sich
aber viele wertvolle und sicher befruchtend wirkende Ansätze. Einige Spitzenleistungen
fielen leider durch Inkorrektheit aus. Die Aufgaben der zweiten Hälfte des Preisrichters
unterscheiden sich teils nur durch Nuancen, die im persönlichen Geschmack begründet
liegen, von einigen nicht im Bericht aufscheinenden Bewerbungen.
1.Preis Stephan Eisert - Hans Peter Rehm
Der Verdienst der Aufgabe liegt in der in zwei parallelen Abspielen gezeigten Verbindung
des Berlinthemas mit einem Treffpunkt auf dem zu gewinnenden Königsfluchtfeld g4. Nach
dem dritten Zug verläuft das Spiel etwas brutal, einer Straffung auf 5 Züge dürften
aber unüberwindliche konstruktive Schwierigkeiten entgegenstehen.
2. Preis Stephan Eisert
Der originellste Gedanke des gesamten Turniers. Das thematische weiße Matt tritt erst
nach Nutzung eines weißen Plachuttaschnittpunktes auf. Weiß verhindert dies durch eine
antikritische Führung seines Turmes im Vorplan. Der Umstand, dass die Berlinthematik nur
in einem Plachuttaabspiel 1. Lf4 Ld3+ 2. Tgxd3 Sd2+ 3. Txd2 ( nicht Lxd2 ) Sc3 aufscheint
und daß letzlich doch ein ungedecktes Satzschach vorliegt, entziehen dem Problem den
absoluten Spitzenplatz.
Stephan Eisert
Hans Peter Rehm
1.Preis Deutsche Schachblätter 1976
1. Sc5? Sf4# 1. Sf8? Sg5#
1. Lg4 Tgxg4 2. Sc5 Sf4 3. Kxg4 Sd3+ 4. Lxd4 Sf2/Se5+ 5. Lxf2/Lxe5 6. Db7/Dd7# oder
1. Lg4 Tdxg4 2. Sf8 Sg5+ 3. Kxg4 Se4+ 4. Lxg7 Sf2/Sf6+ 5. Sxf2/Lxf6 |
|
Stephan Eisert
2. Preis Deutsche Schachblätter 1976
1. Lf4? ( droht 2. Td6# )Ld3+ 2. Tgxd3 Sd2+ 3. Txd2 Sc3# bzw 3. Lxd2 Sc3+
4. Lxc3 bxc3 5. ... c2#
1. Td6+ Ke5 2. Td1+ ( Kxe4? 3. Sf6+ 4. Txf1+ 5. Te3 )Ke6 3. Lf4 Ld3+ 4. Tgxd3 Sd2+ 5.
T1xd2 Sc3+ 6. Txc3 bxc3 7. Td6# |
|
3.Preis Helmut Zajic
Das Berlinthema als Epigramm. Die dreizügige Patentfassung des Themas ist jenes Problem,
das am unmittelbarsten im Gedächtnis bleibt und das vielleicht am längsten von allen
Turnierbewerbungen überleben wird. In vollem Bewußtsein der Problematik, Drei- und
Mehrzüger in einem Turnier zu werten, habe ich dieses Problem ob seines sympathisch
frischen und auch künstlerischen Gesamteindruckes einigen spröden Mehrzügern
vorgezogen.
4.Preis Helmut Zajic
Die geschlossenste und anspruchvollste unter einer Vielzahl eher konservativer
Themenbearbeitungen. Die durch Springerpendel erzwungene Königswanderung ist zwar nicht
neu ( vgl. z.B. Hans Lepuschütz Deutsche Schachblätter
1962/63 5.-6.Preis ) doch hier durchaus selbstständig und geschickt eingesetzt. Hübsch
auch, dass gegen das Drohmatt Tc8 im 7.Zug noch eine Verteidigung zur Verfügung steht.
Der nachtwächternde Tc3 ist eine kleine Schwäche. |
Helmut Zajic
3.Preis Deutsche Schachblätter 1976
1. De4? Ta1#
1. Dxe6? Ta1#!
1. c4 bxc4 2. De4 Ta1+ 3. Ta5# 1... bxc3ep 2. Dxe6 Ta1+ 3. La3# |
|
Helmut Zajic
4. Preis Deutsche Schachblätter 1976
1. Tc3? Ta1#
1. Sb4 Ke7 2. Sc6+ Kf6 3. g4 hxg4 4. Sb4 Ke7 5. Sd5+ Kd8 6. Tc3 Ta1+ /. Kg2 Lc7 8. bxc7#
|
|
1. Ehrende Erwähnung Grigori N.Golin
Ohne Hinweis auf das Berlinthema dürfte sich dieses Problem für jeden Löser als harter
Brocken erweisen. Aber auch so ist die Idee, das Königsfluchtfeld erst nach mehreren
gestaffelten Vorplänen freizubekommen, recht verborgen und im vorliegenden Fall gekonnt
und routiniert verwirklicht.
2. Ehrende Erwähnung Gerhard Mroczek
Eine vom Gedanklichen her relativ einfache Fluchtfeldbeschaffung für den weißen König (
Beschäftigungslenkung durch schachbietenden Opferzug ) ist in ein sehr ansprechendes
Gewand gekleidet, welches das Berlinthema instruktiv herausstellt. |
|