Tatort Schachbrett
Unter diesem Titel legt der Kriminalkommissar a.D. Josef Haas eine Auswahl seiner seit
den 60er Jahren komponierten 250 Retroaufgaben vor. Das Schachbrett wird zum Tatort, der
Löser zum Fahnder und Aufklärer eines mysteriösen, verzwickten Falles. Die
Aufklärungsarbeit besteht bei einem Retroproblem ähnlich wie bei einem Kriminalfall in
der Erforschung der Vorgeschichte der Diagrammstellung. Der Tathergang wird analysiert,
und zwar aufgrund wichtiger Merkmale (Spuren, Indizien), die auf wichtige, für die
Lösung entscheidende Züge beider Parteien hinweisen, die der aktuellen Position
vorangegangen sind. Man nennt diese Art der schachlichen Rückbetrachtung "retrograde
Analyse", oder kürzer "Retroanalyse" (RA).
Das Ringbuch (74 Seiten im Format Din A4) ist für 15 DM bei J.Haas, Bronnäckerstr.
15, 70118 Stuttgart zu beziehen.
Verführung: 1
...Te8#? aber Schwarz hatte einen letzten Zug!!
LÖSUNG: 1.Th6# (ganz "normal"!)
Für Gelegenheitslöser liefert der Autor folgende detaillierte Lösungsbeschreibung:
,,Nach Dr. K. Fabel werden Einzüger nur zu dem Zweck verfaßt, die Löser an der Nase
herumzuführen. Die Autoren bedienen sich hierbei mit Vorliebe der ,,Bosheit" des
schwarzen Anzuges: Schwarz hat keinen letzten Zug. Er ist daher selbst am Zug und setzt
statt des Weißen in 1 Zug matt. Davon ausgehend legt der Verfasser des Problems Nr.326
seine Fallstricke aus: Schwarz am Zug könnte mit Te7-e8 in einem Zug mattsetzen und hat
auch anscheinend keinen letzten Zug. Die Bauern und der Te7 haben mit Sicherheit zuletzt
nicht gezogen. Die Felder um den schwarzen König werden von den weißen Steinen so
beherrscht, daß der schwarze König scheinbar keines von ihnen im letzten Zug verlassen
hat, da Weiß das Doppelschachgebot durch die Rücknahme seines letzten Zuges (scheinbar!)
nicht aufheben kann.
Aber der Schein trügt! Der sK kann zuletzt von h6 kommend einen weißen Bauern auf
g6 geschlagen haben. Dieser Bauer hat mit dem Zug Bh5xBg6e.p.+ das angeblich ,
"unmögliche" Doppelschach gegeben. Davor geschah g7-g5.
( Nur wenn durch die Retroanalyse bewiesen wäre, daß dieser dem e.p.-Schlag
vorausgehende Doppelschritt des sBg7 nicht möglich war,
würde auch der letzte s-Zug ...., Kh6:Bg6 ausscheiden: Schwarz wäre dann tatsächlich am
Zug! Doch es ist alles in Ordnung: Der wK gelangte über e8/ h8 nach h7, ehe der sT über
e8 nach e7 zog, oder der wK war auf h8 durch eine dazwischengestellte Figur vor dem
sT-Schach geschützt.-d.Hg.)"
Schwarz ist also nicht am Zug. Weiß setzt - wie sich das so gehört - mit Th3-h6 matt.
Ein unbekannter Löser: ,,Trotz der oft nur theoretisch partiemöglichen Stellung fesselt
mich die bestechende Logik dieser Retroprobleme. Man kommt sich vor wie Sherlock
Holmes!"
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