Vladimir Nabokov

Der Springer

Rundmähnig, schwer, mit etwas Tuch beschlagen,
schlief der Springer in der Schachtel ein,
war da nicht vor sehr langer Zeit in der berühmten Bierhalle
ein lebhaftes menschliches Getöse gewesen?
Das Getöse der Maler, bärtiger Kerle, und die Rufe der Wächter, das Gestöhn der Geiger...
Die Lampe glänzte, doch der Boden unter ihr
war ganz aus gleichmäßigen Quadraten.

Er saß mit den Freunden in der Lieblingsecke,
wie gewohnt leicht zum Tisch geneigt,
und die Freunde gedachten vergangener Turniere
und sprachen von seiner raffinierten Meisterschaft...
Samtenes Pochen im Kopf:
es ziehen die geschnitzten Figuren.

Der alte Maestro trank ein Bierchen,
lauschte den Freunden, kaute auf der Zigarre,
nickte mit dem grauen zottigen Haupt,
und der Kragen war dicht mit Schuppen besät
- den Schalen seiner Schachgedanken.
VN beim Schachspiel

Und die Freunde erinnerten sich, wie er, mit matt drohend,
Kieseritzky in Wien seine Dame überließ,
rundum überm Tisch ballten sich
Tabakwolken zusammen; doch der Plattenboden
hatte dunkle und helle Quadrate.
Die Freunde erinnerten sich, welch waghalsigen
Gambit er einstmals gespielt.

Der alte Maestro trank ein Bierchen,
lauschte den Freunden, kaute auf der Zigarre
und dachte mit finsterem Lächeln:
Jemand, doch ich weiß nicht wer,
verrückt in meinem Schädel
Figuren wie schwere Möbel,
und seit dem gestrigen Tage wartet
als schwarze Puppe ein Bauer auf mich.

Der alte Maestro saß gebeugt,
ließ Asche auf seine Pikeeweste fallen,
und ihn bestürmte, blasig gebläht,

ein unaufhaltsamer Schachfieberwahn.
Die Freunde tranken auf die Gesundheit des Maestro,
erinnerten sich, wie er, mit dieser Zigarre zwischen den Zähnen,
blind ein großes Orchester unsichtbarer Figuren auf unsichtbaren Brettern dirigiert hatte.
Plötzlich trat der schwarze König, seinen Pförtnerbauern
stärkend, dicht heran.

Da erhob er sich, schob die Freunde beiseite,
die lachten und schüchtern waren.
Die Lampe schien, doch unter ihr der Boden
harte schwarze und weiße Quadrate.

Auf seinem Gesicht, das alt war, verstört und gut,
lag ein hölzerner Glanz.
Er krümmte den Rücken, blähte den Hals, preßte
die angespannten Ellenbogen an die Rippen
und ging, um über die großen Quadrate zu springen,
über eines hinweg und dann entweder nach links oder rechts,
und das war kein leeres Vergnügen,
und sie lachten nicht lange über ihn.

Und danach, im Schweigen des sauberen Krankenzimmers,
wohin ihn der schwarze König geführt,
auf vierundsechzig Quadrate
verteilte sich unerklärlich der Boden.
Und so also bis zur letzten Stunde-
in den Fieberwahnkombinationen, Nacht und Tag,
sprang der Maestro ein Greis, grauhaarig,
als ein weißes Roß.

(Wörtliche Übersetzung aus dem Russischen von Katrin Finkemeier.)

 

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