Zweckökonomie

Dem Gedenken Walther von Holzhausens gewidmet von Stefan Schneider (Nachdruck aus Schach-Expreß 1948)
1. Fortsetzung

III Schema
Schach-Expreß 1948








#3

In dem Schema Nr. III mit dem wir zu den indirekten Manövern übergehen, sei zunächst der Bg2 vom Brett genommen. Nun scheitert der Urplan 1. Kxb6? (2. Lc7#) – er führt hier, bei den indirekten Manövern, den Namen "Hauptplan" – an 1. ... c1=D!. Um diese Störung auszuschalten, entschließt sich Weiß zu dem Vorplan 1. Sc5 bxc, worauf 2. Kb6 nebst Läufermatt ungehindert geschehen kann. Da der Vorplan nichts anderes zu bewirken hat als die Beseitigung der einen Störung, steht seine absolute Zweckreinheit einwandfrei fest. Anders, wenn wir den Bg2 auf das Brett setzen. Jetzt scheitert der sofort gespielte Hauptplan an zwei Hindernissen. 1. ... c1=D! und 1. ... g1=D+!. da der Vorplan 1. Sc5 bxc beide mit einem Schlage beseitigt, ist es mit seiner absoluten Zweckreinheit vorbei. Er kann aber auch keinesfalls als relativ zweckrein aufgefaßt werden. Nicht etwa wegen des Doppelmotivs an sich, sondern weil das Grundgesetz Holzhausens bei mehreren Motiven fordert, dass jedes von ihnen zur Bestimmung des Manövers nötig sei. Das aber ist offensichtlich nicht der Fall. Im Gegenteil, jede einzelne der drohenden B-Umwandlungen zwingt schon zu dem Vorplan 1. Sc5 bxc und damit ist die Frage nach seiner Zweckreinheit im negativen Sinne entschieden.

IV Schema
Schach-Expreß 1948








#3

Etwas günstiger liegen die Dinge bei dem Schema IV. Hier gibt es gegen den Hauptplan 1. axb6 wieder zwei Paraden, nämlich 1. ...Txd6! und 1. ... Lf3! Beide werden durch den Vorplan 1. Te4 Txe4 beseitigt, wobei der abgelenkte Turm die künftige Wirkungslinie des Läufers verstellt. Nun könnte man folgendermaßen argumentieren: der Vorplan wird durch die bloße Notwendigkeit, den Turm abzulenken, nicht eindeutig bestimmt. Denn dies kann ja sowohl durch 1. Te4 Txe4 als auch durch 1. Tf4 Txf4 geschehen. Erst das Motiv der Läuferabsperrung bringt die Entscheidung für 1. Te4!. Beide Motive sind also nötig, und der zwiefach begründete Vorplan ist durch das Probespiel 1. Tf4 Txf4 2. axb Lf3! Als relativ zweckrein legitimiert.
Diese Beweisführung ist aber unvollständig. Gewiß das genannte Probespiel zeigt, dass die Läuferparade bei der Bestimmung des Vorplans mitwirkt. Ihre Daseinsberechtigung ist damit bewiesen. Wo aber bleibt das entsprechende Probespiel für die Turmparade? Es ist nicht vorhanden! Aus dem Fehlen des Probespiels ergibt sich mit Notwendigkeit, dass die Turmparade bei der Bestimmung des Vorplans nicht mitwirkt. Tatsächlich bleibt die Lösung unverändert, wenn wir durch Schwärzen des Bd6 dem Turm verwehren, den Hauptplan zu stören. Damit ist auch in diesem Beispiel die Doppelwirkung des Vorplans als unökonomisch entlarvt, und er kann daher nicht als relativ zweckrein passieren.

V. Herbert Grasemann
Schach-Expreß 1948








#3

In der Nr. V lernen wir nun das erste positive Beispiel kennen. Ihr Hauptplan 1. Lb1? (2. Sb3 matt) scheitert an 1 ... Te3! und 1 ... Te5!. Indem der Vorplan 1. Dh2 Txh2 beide Hindernisse aus dem Wege räumt, versündigt er sich, das sei nochmals klar ausgesprochen, gegen die bisher geltenden Anschauungen, denen er zufolge er nur einen einzigen Zweck erfüllen sollte. Er versündigt sich aber mitnichten gegen das Ökonomiegesetz ! denn dieses – erinnern wir uns – verlangt keineswegs, dass für ein Manöver nur ein einziger Grund vorliege. Es verlangt bloß, dass jeder der Gründe zur Bestimmung des Manövers nötig sei. Und das ist hier der Fall! Der Beweis wird, genau wie bei den direkten Manöver, durch Probespiele geführt, die jeweils einem der Gründe nicht Rechnung tragen. Als solche stehen zur Verfügung 1. Df2? Txf2 2. Lb1 Txf3! Und !. Dg2? Txg2 2. Lb1 Tg7!
Wir sehen: Wenn man nur gegen die Störung Tc5 anzukämpfen hätte, würde neben der Lösung auch die analoge Spielweise 1. Df2 Txf2 usw. zum Ziele führen. Und wenn nur die Störung Te3 beseitigt werden müßte, stünde dem Weißen auch der analoge Weg 1. Dg2 Txg2 usw. zur Verfügung. Nicht eine der Turmparade allein bestimmt also die Lösung, sondern das Zusammenwirken beider. Damit ist aber die relative Zweckreinheit des Vorplans erwiesen, der sich – um ein Holzhausenwort zu gebrauchen – jeweils nur um ein Wertmoment von den anderen, gleichartigen Spielweisen unterscheidet.
Grasemanns Beispiel ist vermutlich das erste seiner Art. Es enthält übrigens die gute außerthematische Verführung 1. Dg7?, die nur durch 1. ... Td2!! widerlegt wird.

VI. Stefan Schneider
Schach-Expreß 1948








#4

In Nr. VI  scheitert der Hauptplan 1. Kxa2? (2. Lb3 matt) an 1. ... Ta6+!. Durch die Vorplanlenkung 1. Te4+ Txe4 könnte diese Störung wohl beseitigt werden, jedoch stößt nun der mit 2. Kxa2 wieder aufgenommene Hauptplan auf die beiden neuen Hindernisse 2. ... Te2! Und 2 ... Te3!. Um auch diese auszuschalten, ist ein weiterer Vorplan nötig. Nach 1. Tf5? Tf6 2. Tf4+ Txf4 3. Kxa2 Txf3! Wäre, wie das Probespiel beweist, bloß das eine Hindernis beseitigt, nach 1. Tg5? Tg6 2. Tg4+ Txg4 3. Kxa2 Txg2! Nur das andere. Einzig dem Manöver 1. Th5 Th6 mit der Folge 2. Th4+ Txh4 3. Kxa2 nebst 4. Lb3 matt ist es gegeben, beide Störungen zunichte zu machen, und da es den beiden Fehlversuchen nur ein einziges Wertmoment voraus hat, ist ihm die relative Zweckreinheit zuzuerkennen.

 

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