Wieselsprung

In der Apotheken Umschau (ab einem gewissen Alter verlagert sich das Interesse auf Spezialliteratur) entdeckte ich eine Rösselsprungaufgabe. Diese Aufgabe ist bei weitem nicht so schön, wie die Aufgaben, welche Friedrich Wolfenter jeden Monat in der Europa-Rochade bringt, aber es gibt ein schönes Gedicht von Christian Morgenstern als Lösung.

Wer es selbst lösen will, dem lasse ich hier etwas Platz. Die Lösung steht weiter unten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wisst ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im Stillen:
Das raffinier-
te Tier
tat's um des Reimes willen.

Man beachte den kunstvollen Zeilenumbruch. 
Nun folgt der Nachdruck des Aufsatzes "Ästhetischer Exkurs" von Alfred Gschwend aus dem Schach-Echo 1974 (Seite 34)


Ästhetischer Exkurs

Was haben denn Wiesel mit Schach zu tun? Sind es gar neue Märchensteine? So ganz neu sind Wiesel eigentlich nicht, und märchenhaft auch nur insofern, als sie gelegentlich auch Hilfsmatts zieren. Den raffinierten Hilfsmattwieseln ist dieser Aufsatz gewidmet.

I. Das Opferwiesel








h#4

Warum ist in Diagramm I der Stein auf h5 eine Dame? Nach einem Zug als Turm droht er als Läufer matt. Also eine wahrhafte Dame! Und warum ziert eine zweite Dame auf f6 das Diagramm? Turm oder Läufer würden doch genügen, und das Satzmatt wäre zudem eindeutig. Wisst ihr weshalb? Wenn zweimal eine Dame geschlagen wird, dann reimt es sich so herrlich. Lob und Dank sei Morgenstern, der Wieselreime erdachte!
1. gxf6 Dg5
2. fxg5 f6
3. g4 f7
4. g3 f8=D/T#

Besonders aparte Effekte lassen sich durch Wiesel erzielen, wenn sie unauffällig wirken. Wiesel dürfen also keine Nachtwächter sein, es sei denn, es ist zu mühsam es zu vermeiden. In diesem Fall wird der erfahrene Problemist seine Wiesel besonders sorgfältig tarnen. Man will ja auch den paar sturen Lösern, die Wiesel nicht zu schätzen wissen eine Freude bereiten.

II. Das Symmetriewiesel








h#3
2 Lösungen

Wie ästhetisch Wiesel wirken können zeigt Diagramm II. Kunstvoll reimen sich die symmetrischen Steine. Welch freudiges Erlebnis für den Löser festzustellen, dass trotzdem die einzige Analogie in den Mattstellungen in der Rolle des jeweils entfernteren Springers liegt. Und wie witzig die Pointe, dass diese Rolle bloß eine Zuschauerrolle ist, so dass die Asymmetrie der Mattbilder nicht getrübt wird.

1. Kb6 Txh6 2. Kc7 Tf6 3. Kd8 Txc8#
1. hxg3 Th2 2. Kb4 Tb2+ 3. Kc3 Lf6#

Der Verbreitung neuer Wieselarten sind fast keine Grenzen gesetzt. Der unentbehrlichste Freund und Helfer des Problemkomponisten ist und bleibt jedoch das Verstellungswiesel.

III. Das Verstellungswiesel








h#3

In klassisch einfachem Gewande ist in Diagramm III die überraschende Schachvermeidung durch den schwarzen Läufer dargestellt. Ein flottes Turmwiesel auf h3 statt eines langweiligen Bauern und schon erhalten die sonst so trivialen Lösungszüge einen tieferen Sinn. Dem thematischen Höhepunkt 2. Lg3 gebührt nun ein zweifaches Rufzeichen.
1. Sh5 e4 2. Lg3!! Lf6 3. Sfd4 Se5#
Wie unerbaulich wäre doch das Komponieren, wenn es keine Wiesel gäbe! 
Wien, Dezember 1973 Alfred Gschwend

Nachtrag: Wie unerbaulich war doch das Komponieren, als es noch keine Computer zum Prüfen gab, denn in Diagramm I gibt es folgende Lösungen:
1) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 Kxg5 3. Kg7 Kg4 4. Kh6 h8=D#
2) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 Kxg5 3. Kg7 Kh4 4. Kh6 h8=D#
3) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 Kxg5 3. Kg7 Kf4 4. Kh6 h8=D#
4) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 Kh5 3. Kg7 Kg4 4. Kh6 h8=D#
5) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 f6 3. g4 f7 4. g3 f8=T#
6) 1. gxf6 Dg5 2. fxg5 f6 3. g4 f7 4. g3 f8=D#

und in Diagramm III gibt es eine zweite Lösung: 
1. Th4 e4 2. Kf4 Sg5 3. Tg4 Ld2#

 

Home