Das Lösen von SchachaufgabenEine Anleitung für Partiepieler von Hans Klüver, Hamburg Vom Satzspiel zum Problemzug
So mancher Schachfreund, der in der praktischen Partie eine scharfe Klinge schlägt,
steht einem auch nur einigermaßen schwierigen Schachproblem oft hilflos gegenüber. Warum
das so ist, soll hier erläutert werden; gleichzeitig wollen diese Ausführungen eine
Anleitung sein, wie man beim Lösen von Schachaufgaben zweckmäßig vorgeht. Fangen wir
mit einer Kardinalfrage an: Was ist in Hinsicht auf das Erkennen der Mattführung der
Unterschied zwischen einer Partiestellung, in der ein überraschendes vierzügiges Matt
möglich ist, und einem vierzügigen Mattproblem? Zunächst einmal: bei der Partiestellung
weiß man nicht, ob eine Matt- oder auch eine Gewinnkombination drin ist. Man läuft daher
Gefahr, an ihr achtlos vorüberzugehen. Beim Schachproblem dagegen steht es ja deutlich
unter dem Diagramm: Matt in vier Zügen. Das sollte eigentlich dafür sprechen, dass die
Mattführung im Problem leichter zu finden ist als in der Partie. Nun kommt aber folgendes
hinzu. In der Partie gibt es keinerlei Anhaltspunkte, die einen auf den Weg zur Lösung
führen könnten, als die Mattkombination selbst. Wer diese nicht erkennt, kommt nicht zum
Ziel. Anders im Problem; hier hat jeder Stein, der auf dem Brett steht, seine Bedeutung.
Alle vorhandenen Steine sind nötig, um die angesagte Mattführung sicherzustellen.
Statisten kennt das Schachproblem nicht! Somit gibt es ein Mittel, der Lösung
näherzukommen, das für den Partiespieler nicht besteht: den vermutlichen Zweck einzelner
Steine zu untersuchen, um auf Grund der dabei gewonnenen Erkenntnisse Rückschlüsse zu
ziehen. Man kann einen solchen Vorgang als geistige Fotografie der Stellung bezeichnen oder auch als Inventuraufnahme. Jeder Stein wird auf seine Wirkungsmöglichkeiten, besonders in Bezug auf die beiden Könige, überprüft. Das einfache Beispiel Nr. I
möge das erläutern. Was einem als Löser sofort auffallen sollte, ist der wBg2. Weshalb hat ihn der Komponist verwendet? Es gibt nur einen plausiblen Grund: er soll dem sK ein Fluchtfeld nehmen, und zwar das Feld f3. Dazu muss man den sK aber nach e3 lassen! Damit haben wir die Lösung schon zur Hälfte gefunden: der Sd5 muss den Schlüsselzug machen., denn anders kommt der sK nicht nach e3 und der Bg2 nicht zur Geltung. Was müsste aber auf 1. ...Ke3 geschehen? Nur 2. Da7# kommt in Frage, da ja die drei Diagonalfelder f2/e3/d4 mit einem Zuge bestrichen werden müssen. Bei 1. Sf4 Ke3 2. Da7# wäre das in Ordnung. Aber was geschieht dann auf 1. ...b4? Weiß hätte darauf keinen Mattzug. Also müssen wir den Bauernzug verhindern und ziehen 1. Sb4l Damit haben wir die Lösung, denn die beiden anderen Bauernzüge verursachen Fluchtfeldraub: 1. Sb4 d5 2. Sc2# und 1. ...e5 2. Lgl#. Und schließlich auf 1. ...Kc5 folgt gleichfalls 2. Lgl#. Die Reinheit der so entstehenden Mattbilder (alle Fluchtfelder des sK nur einmal beherrscht!) geben uns die Gewissheit, dass unsere Lösung richtig ist. In Nr. I war Schwarz nach dem Schlüsselzug in Zugzwang. Brauchte er nicht zu ziehen, würde er auch nicht matt werden. Nun gibt es aber Aufgaben, in denen Schwarz bereits in der Problemausgangsstellung in Zugzwang ist. Betrachten wir das an Hand von Nr. II
Hier sollte man sich zunächst fragen: Was kann Schwarz machen? Wer das nicht untersucht, kann Sinn und Inhalt dieses Problems nicht erfassen. Auf
jeden Zug des Schwarzen hat Weiß ein Matt bereit. Der Witz des Stückes liegt darin, dass
Weiß keinen abwartenden Zug hat, um die Zugpflicht auf Schwarz abzuwälzen. Man wird erst
alles mögliche probieren, um Schwarz in eine neue Zugzwangstellung mit veränderten
Mattmöglichkeiten zu bringen, bis man dahinter kommt, dass nur ein Übergang zur Drohung
das Richtige ist. Nach 1. Dxd7 ist von Zugzwang keine Rede mehr. Der Schlüsselzug ist
dadurch besonders elegant, dass sich die wD selbst fesselt (1. ...Lxd7 2. Sxd7#). Es droht
2. Dxc8#, und bei der Parade dieser Drohung entstehen neue Schädigungen für Schwarz: 1.
- Te6 (Entfesselung der wD) 2. Dd5#, 1. ...Txe8 (Linienöffnung für den Lg3) 2. Ld6#, 1.
...Lb7 (wieder Entfesselung) 2. Dd6#.
führen beide Erkenntnismethoden (Lösungsverräter und Schwarz anziehen
lassen) zur Lösung. Was geschieht auf 1. ...Kf5? Denn dass der sK einmal dorthin gelangen
muss, das verrät uns der Bh3, der sonst zwecklos wäre. Als Mattzug käme offenbar nur 2.
Ld3# in Frage, was aber an e4 scheitert. "Also" - oder ist dieser Gedankengang
etwa nicht zwingend? - muss der Be5 im Vorwege gefesselt werden:
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