Das Lösen von SchachaufgabenEine Anleitung für Partiepieler von Hans Klüver, Hamburg Problemzüge Dritte Erkenntnismethode: Man halte stets nach "Problemzügen" Ausschau! Das sind im Partiesinne ungewöhnliche Züge wie Opferangebote, Entblößung des eigenen Königs, Freilassung des gegnerischen, strategische Rückzüge und scheinbare Selbstschwächungen. Alles das gehört zum Arsenal des Problemkomponisten, und je unwahrscheinlicher ein Zug, desto geeigneter ist er für das Problemschach. Partiegemäß geläufige Züge, wie das Heranholen starker Figuren, Fluchtfeldbeschneidung und alle sonstigen "starken" Partiezüge wird man in Schachaufgaben nur ganz ausnahmsweise finden. Es hat daher wenig Zweck, mit solchen Zügen zu beginnen, es sei denn, man hat die Absicht, Nebenlösungen aufzuspüren. In Nr. IV
ist der Schlüssel 1. Ke1 - hinein in mehrfache Schachgebote des
Schwarzen - vom Partiestandpunkt aus wohl das Unwahrscheinlichste, was man sich denken
kann und geradezu selbstmörderisch anmutend. Soll man solche Züge wirklich gleich zuerst
mit untersuchen? Ja, wenn man sich auch nur etwas dabei denken kann. Immerhin wird der Sf6
indirekt entfesselt, wodurch 2. Sg4+ Sxh6 (ohne Schach!) 3. Se5# droht. Auf 1... c1=D+
folgt 2. Dxcl, und wie immer Schwarz weiter Schach bietet, stets kommt Weiß mit
Gegenschach und Matt: 2. ...Te8+ oder h1=D+ 3. Le3 bzw. Lgl#. Ähnlich nach 1. ...h1=D+ 2.
Dxhl Te8+ (c1=D+) 3. Te5 (Td1) matt. (Auf 1. ...Te8+ 2. Sxe8+). Hier ist Sam Loyd
übertrumpft worden! Mattbildaufgaben Bei einer bestimmten Art von Aufgaben kommt es weniger auf geistvolle Unwahrscheinlichkeit des Schlüsselzuges oder logische Verknüpfung der einzelnen Züge an, als vielmehr auf die Vollkommenheit, mit der sich das vorhandene Material harmonisch zu reinen und ökonomischen Mattbildern zusammenfügt. Nr. I war bereits ein Problem dieser Art. Erkennt man bei diesen Aufgaben die Mattbilder, so ist es nicht allzu schwer, die Zugfolge zu finden, die zu eben diesen Mattbildern führt. Dieses Problemgenre wurde früher hauptsächlich von "böhmischen" Komponisten gepflegt, weshalb man auch von der Böhmischen Schule spricht. Ein typisches Beispiel dieser Art ist Nr. V.
Das bekannte Mattbild von D+L (die Dame beherrscht mit Matt die schwarzen Felder, der Läufer die restlichen weißen) schimmert in der Stellung schon durch. Der Schlüssel ist, wie oft bei den Böhmen, zurechtstellender Art und auf schwarzen Zugzwang berechnet (1. Tc3). Nach 1. ...Sf8 2. Dg5+ Kd6 3. Dc5# ist das Mattbild einmal verwirklicht. Es kehrt nach 1. ...e3 2. Tc4! 3. Dd4# zum zweiten Male und nach 1. ...Kf4 2. De7! e3 3. Dxe3# zum dritten Male wieder. Wer seinen Blick für solche Mattbilder schärft, kann sie sich als Stellungsmerkmale und Lösungshilfen dienen lassen. In neuerer Zeit hat sich das Mattbildproblem als die Verwirklichung ästhetischen Gestaltens einen ehrenvollen Platz neben dem Kombinationsproblem (Ideengestaltungen) zurückerobert. Logische Probleme Eine besondere Art der Kombinationsprobleme sind die logischen Probleme, auch Aufgaben neudeutschen Stils genannt. Sie heißen nicht deshalb "logisch", weil ihr Lösungsverlauf logisch ist (das ist bei allen Problemen der Fall), sondern weil aus der Erkenntnis, weshalb andere, dem Lösungsverlauf ähnliche Züge scheitern (die sogenannten Probespiele), durch logische Schlussfolgerung die Lösung abgeleitet werden kann. In Nr. VI
würden Züge des wL nach c5, d6, e7 zur Deckung der Mattdrohung durch den Tb1 auf der ersten Reihe und damit nur zur weiteren Machtentfaltung des Schwarzen führen. 1. Lf8? scheitert entsprechend an einem Aufzug des Bb7. Die logische Folgerung hieraus ist, mit 1. Lb4 Sd1 zunächst die erste Reihe für den Tbl zu sperren, dem dafür aber die b-Linie geöffnet wird. Nach 2. Le7 Tb6 hat der sT aber den Bb7 gestoppt, so dass nach 3. Lf8 das Matt durch 4. Lg7# nicht mehr zu verhindern ist. Ein typisches Vorplanproblem neudeutschen Stils, das dem Löser die Frage "Wie löse ich diese Art Aufgaben?" selbst beantwortet. Betrachten wir noch Nr. VII
um zu sehen, wie weit wir mit den gegebenen Lösungswinken kommen. Erster Impuls: Schwarz ziehen lassen. Feststellung: Nach Kd5 droht der sK zu entweichen. Zweiter Impuls: Züge wie 1. bxc4 oder Schach durch Abzug des Sf3 wären keine "Problemzüge". (Woran sie scheitern, untersuchen wir zum Schluss bei der Suche nach etwaigen Nebenlösungen.) Stellungsmerkmale? Die schwarzen Steine im oberen linken Viertel kommen uns recht verdächtig vor und laden dazu ein, den sK bis nach c6 zu lassen, aber Vorkehrungen zu treffen, ihn dort matt zu setzen. Setzen wir ihn nach c6, so sehen wir im Geiste auch schon die wD auf e5, und der Mattzug ist dann Sd4. Ob nun 1. Dg7 g3 oder h2, muss durchexerziert werden. Jedenfalls: ein Damenopfer ist schon ganz in unserem Sinne. Da dieses infolge des Fluchtfeldes d5 mit einer Ablenkung des L von f6 verbunden sein muss (wegen 2. Sf6+), scheidet 1. Dg7 aus. Die Variante 1. ...LxD 2. Sf6+ Kf4 3. dxe3# zeigt uns, dass das Fluchtfeld g3 verbaut werden muss, so dass sich als Schlüssel 1. Dg3 ergibt. Die gefällige Mattstellung bestätigt die Richtigkeit der gefundenen Lösung. Nach 1. Dg3 d6 machen wir noch einen Problemzug: 2. Df4+ (Lxf4 3.Sf6# bzw. Kd5 3. Dc4:#). Auf 1. ...Lal kommt 2. bxc4 nebst Damenmatt.
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