Schönheit des Schachproblems
Auszüge aus der Einführung zu "Im Bannes des
Schachproblems" von Ado Kraemer und Erich Zepler
Es ist nie soviel über das Schachproblem geschrieben worden wie in den letzten
dreißig Jahren. Theoretische Streitfragen um Dinge, die häufig verschiedener Deutungen
fähig sind, haben zu endlosen Kontroversen geführt, ohne indessen Übereinstimmung zu ergeben.
....Wir wollen hier ... etwas für uns Grundsätzlicheres anpacken, von dem wir glauben,
dass es entscheidend ist und bleibt für den Wert eines Schachproblems. Wir wollen von der
Schönheit des Schachproblems sprechen. Das und nichts anderes soll der Angelpunkt unserer
Ausführungen sein.
Wir wissen wohl, dass es Problemtheoretiker gibt, die die Schönheit im Schachproblem als
etwas weniger Wichtiges ansehen, als etwas Vergängliches, dem Wechsel der Zeit
Unterworfenes. Für sie ist eine Rekordleistung, wie etwa der neunfache Schlagfall auf
einem Felde um einen beliebigen Vorwurf herauszugreifen wichtiger, weil eine
Rekordleistung etwas Absolutes, Unantastbares ist. Wir empfinden anders. Wir verkennen
gewiss nicht das theoretische Interesse, das einer solchen Leistung gebührt, aber uns ist
ein Problem, das weniger Schlagfälle aufweist, dafür aber schön, elegant und
überraschend ist unendlich viel lieber als jenes Rekordproblem, falls es schwülstig und
häßlich sein sollte.
Gewiss es gibt Schachprobleme, die durchaus nicht schön sind und dennoch in die
Geschichte des Schachproblems eingegangen sind. Das aber sind immer solche Probleme, in
denen ein neuer und fruchtbringender Gedanke zum ersten Male dargestellt worden ist. Das
markanteste Beispiel ist das Indische Problem von Loveday, das auch heute noch als das
berühmteste Schachproblem bezeichnet werden muss. Seine Stellung in der Problemgeschichte
ist wohlverdient, denn diese Aufgabe hat ein neues Zeitalter in der Entwicklung des
Kunstschachs eingeläutet. Aber niemand wird behaupten wollen, Genuss beim Studium des
Indischen Problems zu empfinden. Denn die Aufgabe selbst ist roh und unbeholfen. Trotzdem
sind unsere Gefühle bei ihrem Anblick etwas feierlich. Sie sind vergleichbar etwa mit
jenen Gefühlen, mit denen wir heute die erste Dampfmaschine oder das erste Flugzeug
betrachten. Bahnbrechende Gedanken wie erstmals im Indischen Problem dargestellt, liegen
nicht auf der Straße, und deswegen, aber nur deswegen, sind solche erstmaligen Funde und
Schöpfungen bleibend. Sehen wir solchen Erwägungen ab, so ist festzustellen , dass ein
Problem von bleibender Bedeutung nur zu erreichen ist, wenn es vom Geiste der Schönheit
durchtränkt ist.
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