ZweckökonomieDem Gedenken Walther von Holzhausens gewidmet von Stefan Schneider (Nachdruck aus Schach-Expreß 1948) Wir beginnen heute mit dem Erstabdruck einer hochbedeutsamen problemtheoretischen
Arbeit Stefan Schneiders, für deren Überlassung wir unserem geschätzten Mitarbeiter
besonders dankbar sind. Seine klaren und überzeugenden Ausführungen dürften das rege
Interesse des neudeutschen Sachverständigen finden, aber auch dem Fernerstehenden eine
Fülle neuer Erkenntnisse und Anregungen vermitteln. Als vor zwanzig Jahren Holzhausens inzwischen klassisch gewordene Abhandlung
"Logik und Zweckreinheit im neudeutschen Schachproblem" erschien, wurde diesem
bedeutenden Werk lebhafte, ja begeisterte Anerkennung zuteil. Die darin erhobene Forderung
nach "relativer Zweckreinheit" bei den direkten Manövern wirkte vielerorts
geradezu als befreiende Tat. Denn dieses neue Prinzip beseitigte mit einem Schlage alle
Unsicherheiten, die in der Zweckreinheitsfrage allmählich entstanden und immer fühlbarer
geworden waren. Es kann daher nicht wundernehmen, dass Holzhausens Ansichten sich rasch
durchsetzten und im Verlauf weniger Jahre neudeutsches Allgemeingut wurden. Holzhausen selbst war es, der an der absoluten Zweckreinheit bei den indirekten
Manövern festhielt. Darin ist wohl einer der Hauptgründe dafür zu suchen, dass eine
gleichsam in der Luft liegende Entwicklung unterblieb, nämlich die Anwendung der Lehre
von der relativen Zweckreinheit auch auf die indirekten Manöver und damit die
Wiederherstellung der verlorenen geistigen Einheit auf höherer Ebene. Im folgenden soll
nachgewiesen werden, dass das Prinzip Holzhausens tatsächlich allgemeingültig ist, und
dass ihm daher universelle Bedeutung zukommt für die Gestaltung logischer Probleme
schlechthin. Zunächst sei im Interesse des mit der Materie weniger gut Vertrauten der
Begriff der relativen Zweckreinheit erläutert. Die Frage nach den Zwecken eines Manövers
bedeutet Nun darf aber dieses Verdammungsurteil gegen das unokönomische Doppelmotiv von den Anhängern der absoluten Zweckreinheit nicht etwa als Bestätigung ihrer Doktrin gewertet werden. Denn Holzhausen spricht es ja indirekt aus: Ein Doppelmotiv widerstreitet dem Ökonomiegesetz nur dann, wenn schon eines der Motive allein zur Bestimmung des betreffenden Entschlusses ausreicht. Jedoch ist dieser Sachverhalt weder draußen in der großen Welt, noch im engen Raum
des Schachproblems als die Regel anzusehen. Nein, sehr oft wird ein Entschluß erst durch
zwei oder mehr Motive seine endgültige Gestalt gewinnen, und dann bestimmt ihn also weder
Grund A noch der Grund B allein, sondern erst das Zusammenwirken von A und B. Unter diesen
Umständen ist natürlich keiner der Gründe entbehrlich oder überflüssig, und daher
kann auch von einem Verstoß gegen das Ökonomiegesetz keine Rede sein.
So besteht in unserer Nr. I der Urplan in folgendem: 1. D räumt die
Läuferlinie c1-f4; 2. Lc1-f4 3. D setzt auf der a-Linie matt. Wenn wir uns nun vornehmen,
die Zweckreinheit des Manövers 1. De1 zu prüfen, so dürfen wir nicht den Fehler
begehen, den ersten Zweck die Räumung in unsere Betrachtung einzubeziehen.
Denn als Element des Urplans unterliegt das Räumungsmotiv nicht dem Ökonomiegesetz.
In Nr. II ist der allgemeine Plan besonders klar erkennbar; er lautet 1. Räumender Turmzug 2. Lc6 3. Sb7# Die räumende Wirkung des Schlüssels ist demnach ein bei der Zweckprüfung nicht interessierender Bestandteil des Urplans. Aber auch nach diesem Abstrich hat der Zug 1. Td2 immer noch ein doppeltes Ziel, indem er nämlich bei 1. ... c2 2. Lc6 c1=D 3. Sb7 das Schachgebot der neuen Dame verhindert und andererseits bei 1. ... Kb5 2. Lc6+ Kc5 3. d4 den mattierenden Bauern stützt. Auch hier wird jedoch durch die beiden einschlägigen Probespiele 1. Tc2? Kb5 2. Lc6+ Kc5 3. d4+ Kxd4! Und 1. Tg4? c2 2. Lc6 c1=D+ bewiesen, dass das Abschirmen des schwarzen Bauern oder das Bewachen des Königsfluchtfeldes allein nicht genügt. Wieder ist es also erst das Zusammenwirken beider Motive, das die Einleitung bestimmt und sie als relativ zweckrein ausweist. Damit ist das Wesentliche über die relative Zweckreinheit gesagt. Im nächsten Heft wenden wir und den indirekten Manövern zu.
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