Mehrzüger 2008

Joaquim Crusats
Ralf Krätschmer
M257 Problem-Forum2008
2. ehrende Erwähnung








#5

M257 zeigt nicht das klassische "Berlin-Thema", denn dann müsste der Versuch 1. Ta1? Am sofortigen Matt 1. ...Txa1+ scheitern tut er aber nicht (2. Le1 Txe1 matt). Die sofortige Ausführung des Hauptplans 1. Tb5+? Txb5 2. Sa4+ scheitert an 2. ...Kb4!. Dennoch benötigt Weiß für den berlinartigen Vorplan ein Fluchtfeld für seinen König: 1. Dh8 Sxh8 Das Vorplanmanöver 2. Ta1 Txa1 3. Le1 erweist sich eigentlich als eine Beschäftigunslenkung des schwarzen Turms zur Erzielung einer weißen Stellungsverbesserung 3. .. Ta5 4. Tb5+ Txb5 5. Sa4 mit Mustermatt 3. ... Txe1+ 4. Kh2 Ta1 5. Tb5 matt . Erst nach dreifachem Opfer kommt Weiß zum Ziel (Dr. KH)

Soweit die Lösungsbesprechung. Manfred Zucker sieht also das Berlinthema in dem Problem nicht dargestellt. Wir die Autoren sehen das natürlich anders. 
Berlinthema oder nicht Berlinthema das ist hier die Frage?

Gibt es im Leserkreis Meinungen dazu?

Mittlerweile (Mitte April 2009) habe ich drei Kommentare von Siegfried Hornecker, Erik Zierke und Dieter Werner erhalten, die ich im folgenden zitieren möchte.
Siegfried Hornecker meint lapidar: Berlinthema ist erfüllt. 2...Txe1 matt reicht dazu auch aus. 
Ausführlicher hat sich  Erik Zierke geäußert.

1) Daß im Probespiel der erste schwarze Zug mattsetzen muß, halte ich, offengesprochen, für Bockmist. Weiß wird Matt; hier einen Unterschied in den Zugzahlen zu machen, wäre durch nichts zu begründen.

2) Um ein inflationäres Anwachsen der Begriffe zu vermeiden, sind Weitfassungen von Begriffen wünschenswert. So heißt es noch Dombrowskis, wenn die schwarze Verteidigung nur pariert und nicht widerlegt. Und so sollte im weiteren Sinne das Berlin-Thema allein durch das Matt des wK definiert sein, was alle Sonderformen unter einem Dach vereint.  (persönliche Anmerkung: Die Urform mit dem banalen Wegziehen des wK, was das schwarze Spiel zum bloßen Mattverzögern degradiert, halte ich ohnehin für die langweiligste. Könnte man es wenigstens hinkriegen, daß nach dem Wegziehen des wK aufgrund der Vorplanänderungen Schwarz eine Ersatzverteidigung bekommt?)

3) Ob das Berlin-Thema im engeren Sinne erfüllt ist, hängt davon ab, wie man die logische Struktur interpretiert.  Beginnt der erste, ursprüngliche Basisplan mit 1. Tb5+, so ist die Variante T:L+ einer später entstehende Nebenvariante, und das Berlin-Thema
ist im engeren Sinne nicht erfüllt.  Man kann jedoch logische Strukturen vergröbern und den Basisplan legitim schon mit 1. Ta1 beginnen lassen. Dabei ist T:L+ dann (aus logischer Sicht)
eine der beiden Hauptvarianten, deren Matt nur an der Masse h2 scheitert. Und dann ist das Berlin-Thema natürlich auch im engeren Sinne erfüllt.    Dieser Widerspruch zeigt aber schon den ganzen Unsinn auf, die Definition einengen zu wollen?

Und nun die Meinung von Dieter Werner:

"Meines Erachtens liegt kein Berlin-Thema vor. Der Grund: Für den Grundangriff 1.Tb5+ TxT 2.Sa4+? Kb4! ist das Probespiel: 1.Le1!? was nur an SxL scheitert. Deshalb muss diese Führung unter Schachprovokation erfolgen: 1.Ta1? TxT+! 2.Le1!? Das ist ein Lepuschütz, wie es viele gibt, die mit der Schachprovokation starten. Bei Euch ist durch die Absicherung des Sicherungsspiels (mit Tempo nach e1) allerdings ein zweites Hindernis aufgetreten (TxLe1#; sehr originell). Das könnte als Beugung interpretiert werden, da Schwarz nicht die schlechte Verteidigung Ta5? spielt, sondern die gute TxLe1#. Ein Berlinthema kann m.E. aber nicht vorliegen, da dazu ein Probespiel vorliegen müsste, was hier schon deshalb nicht möglich ist, da Schwarz am Zug ist. Das erste Sicherungsspiel (1.Ta1?) benötigt ein zweites (1.Dh8), womit die gute Verteidigung eine schlechte wird. Sicher kann man auch annehmen, dass 1.Ta1? Txa1+ 2.Le1 TxL# dieses Probespiel darstellt. Ich glaube aber, dass man Pläne - wenn möglich - sauber trennen sollte. Der Grundangriff ist für mich wie gesagt deshalb 1.Tb5+ TxT 2.Sa4+? Kb4! Beim Berlinthema will die Definition m.E., dass der Grundangriff am Matt durch Schwarz scheitert, richtig? Aber warum nicht auch auf ein Sicherungsspiel verlagern und das verteidigende Matt erfordert zwei und mehr Züge. Auch für das Sicherungsspiel wäre allerdings ein Probespiel nötig, das am Matt scheitert, was bei Deiner Aufgabe nicht der Fall ist.

Vor einer Woche (am 17/5/2009) bekam ich die treffliche Analyse von Rudi Albrecht, dem Autor des Buches "Grundlagen und Grundstrukturen des logischen Schachproblems", zugeschickt.

Um die klare und übersichtliche Darstellung von Albrecht zu erhalten, bringe ich seine Stellungnahme als pdf-Datei-
Stellungnahme Rudi Albrecht

Es gibt eine weitere Äußerung von Gerald Ettl vom 4/9/2009

Berlin-Thema
Ein Versuch scheitert weil schwarz kann Weiss mattsetzen. Ein Vorplan wandelt dieses Matt in einem einfachen Schach um. Oder: Ein weisser Plan scheitert daran, dass Schwarz zuerst matt setzt. Delhalb muss Weiss diese gegnerische Parade zuerst zu einem harmlosen Racheschach abschwaechen. Oder: die sofortige Ausfuehrung des Hauptplans scheitert am Matt des wK. Oder Hans-Peter Rehm:"Der Grundangriff wird im Probespiel einer direkten Mattaufgabe durch Mattsetzung des wK abgewehrt. Durch das Sicherungsspiel wird der Mattzug in ein (harmloses) Schach umgewandelt."
 Die Frage ist hier, ob Schwarz ein sofortiges (einzuegiges) Matt geben muss, oder ob ein mehrzuegiges (zweizuegiges) Matt ebenfalls ausreicht. 
Ich kenne die Original Themabeschreibung nicht. Bei meinen gesammelten Berlin-Thema Beschreibungen geht nirgendwo hervor, dass ein sofortiges Matt zwingend ist.  Ich weiss jedoch, dass die Originalaufgaben mit sofortigem Matt arbeiten. 
Deine Absicht in dem 5-Zueger Problem, war ein Luftloch fuer den wK zu schaffen, da es sonst zum Matt kaeme. Und das sollte m. M. nach schon mit einem eigenen Thema Namen hervorgehoben werden. 
 Wenn also wirklich viel wert darauf gelegt wird, ob sofortiges Matt, oder forciertes verzögertes Matt, dann wuerde ich mit Typen arbeiten.
 Und noch nebenbei: Lepuschütz. Ja.

Das Problem erhielt  im Preisbericht im Septemberheft  2009 des Problem-Forums die "2. ehrende Erwähnung"
Der Preisrichter Manfred Zucker schrieb zu der Aufgabe: Ähnlich dem "Berlin-Thema" wird durch Damenopfer dem weißen König zunächst ein Fluchtfeld verschafft, wonach der effektvolle Hauptplan mit zweifachem Turmopfer und Mustermatt erfolgen kann 
(Preisrichter Manfred Zucker)

Kurz vor dem 1/1/2010 hat  Mirko Degenkolbe  mir seine Meinung mitgeteilt:
"Hatte nach viel zu langer Pause mal wieder auf Deine Seite geschaut und musste über die dort in Gang gekommene Diskussion schmunzeln. Das kann man alles abkürzen, indem man die "Gegenfrage" stellt, nämlich: Wenn eure sehr schöne Aufgabe NICHT Berlin- UND Lepuschütz-Thema beinhaltet, welche Themensollte sie stattdessen zeigen? Wahrscheinlich weder das eine noch das andere
..... ;-)) Natürlich zeigt sie aber beide, verknüpft in wunderbarer Umsetzung. Ob nun der "Berliner" seine Hinrichtung noch um einen (eigentlich zwei, denn der Erbsenzähler könnte auch noch die ""Parade"" ...Sb1/...Sd1 ins Felde führen) Atemzüge hinauszögert ist doch absolut sekundär. Matt wird er in jedem Falle, man sollte dies also nicht so engstirnig sehen und gleichzeitig
ständig nach neuen Nuancen und Weiterentwicklungen der Themen schreien."

Auf weitere Lesermeinungen bin ich immer noch gespannt!


Mehrzügerverzeichnis

Home